Perspektivwechsel

Schreiben an einem anderen Ort

Geschichten geben die Möglichkeit, in fremde Welten, Leben und Perspektiven einzutauchen, Abenteuer zu erleben und Ängste zu überwinden, ohne, dass dafür das eigene Leben verlassen oder gar eine Gefahr eingegangen werden muss.
Geschichten verbinden, rütteln auf, regen zum Nachdenken an und fordern unsere Fantasie heraus.
Wer sich für das Schreiben als Beruf entscheidet, nimmt dafür die permanente Anwesenheit von Unsicherheit und täglich wiederkehrende Fragen in Kauf. Wird das, was ich mir ausdenke, auch mein Publikum interessieren? Werde ich morgen wieder neue Ideen haben? Kann ich mit meinen Erfindungen meine Lebenskosten bestreiten? Bekommt mein Buch oder Film die notwendige Unterstützung, um gesehen zu werden? Wollen die Menschen auch in Zukunft noch ins Kino gehen und Bücher lesen? Und überhaupt: Wie sieht die Welt von morgen aus, in der meine Erzählung bei deren Erscheinen noch eine Relevanz aufweist?

Um sich von der täglichen Verunsicherung nicht den Mut und die Zuversicht nehmen zu lassen, ist es sinnvoll, sich die Vorteile deutlich zu machen, die das AutorInnendasein ebenso mit sich bringt, und – wenn möglich – diese bewusst zu nutzen. So zum Beispiel die Freiheit, von jedem Ort dieser Welt schreiben zu können.
Nicht zuletzt die Digitalität sowie die Option des weltweiten Wohnungstausches haben in den letzten Jahren einen Ortswechsel deutlich erleichtert. Das Verlassen des Vertrauten und Erleben des Fremden bringen neben Abenteuern und einem frischen Blick auf das Bestehende auch den für Geschichten so notwendigen Perspektivwechsel mit sich.

Columbus Avenue, North Beach

Ob in Europa, Australien, Afrika oder Asien – es gibt so viele Orte, an denen ich dankbar bereits viele Wochen und Monate leben durfte. Jene Stadt, in die ich neben Berlin allerdings am häufigsten zurückkehre, ist San Francisco.
Was mich an der Stadt am Meer immer wieder aufs Neue fasziniert sind die Gegensätze. Alt und neu, reich und arm, hell und dunkel. Der überall präsente Konflikt fordert den Geist zu einer stetigen Auseinandersetzung und Neujustierung, die zeigt: Es gibt kein Richtig oder Falsch, sondern nur ein riesengroßes Dazwischen. Mit ihren legendären, bunten Holzhäusern und alten Cable Cars erinnert San Francisco an eine Puppenstube aus vergangenen Zeiten. Gleichzeitig ist sie jenes Innovationszentrum, in dem die ersten selbstfahrenden Autos fuhren und permanent Neues erfunden wird, das schon bald die ganze Welt erreicht und zu neuerlicher Haltung herausfordert. Der Wind des Aufbruchs, die Begierde nach Neuerung und die enorme Risikobereitschaft ist an jeder Ecke zu spüren und steckt an.
Ganz anders als andere kalifornische Städte, die sonnenreich und heiß sind, wird San Francisco immer wieder von einer überraschenden Kühle heimgesucht, die u.a. im Sommer mit ihrem Nebel zu film-noir-ähnlichen Szenerien führt – und im nächsten Moment mit dem Aufbrechen des Himmels zu einem glasklaren, gleißend blauen Licht.
Was mich ebenso berührt, ist die stete Anwesenheit der geballten Natur. Wohin man auch schaut, überall ist sie zu finden. Hier der Pazifik mit seinen Seelöwen und stürmischen Wellen, dort die weitläufige Bucht mit ihren kleinen Inseln und den Marin Headlands auf der gegenüberliegenden Landseite. Im Zentrum der Stadt liegt die weltweit größte innerstädtische Grünoase, der Golden Gate Park. Ich kenne nur wenige Städte, in denen die Natur eine derart große Rolle spielen darf und zelebriert wird. Gleichzeitig hat San Francisco mit den durch die Decke schießenden Mieten und damit einhergehenden Ungerechtigkeiten zu tun. Herausforderungen, für die es wie in vielen anderen Städten dieser Welt dringend erfinderische, soziale Lösungen braucht.

Lifeexchange.club

Tausche Leben – Suche Glück
Als mir die Idee kam, einen Roman zu schreiben, in dem eine Website, auf der die Menschen ihr Leben mit anderen tauschen können, eine zentrale Rolle spielt, war mir sofort klar, dass die Geschichte nur in San Francisco spielen kann.
Mehr dazu hier.

Illustration mit Foto@ Birgit Behl

Als der CBJ Verlag mich 2018 nach einer Idee für eine neue Kinderbuchreihe fragte, war für mich sofort klar, was ich gerne schreiben will: Es sollten Abenteuer-Geschichten sein, die in meiner zweiten Herzensstadt San Francisco spielen.
Die Idee, dass ich meine Leserinnen und Leser auf diese Weise in meinem Gepäck mitnehmen und gemeinsam mit ihnen durch diese aufregende, wunderschöne und inspirierende Stadt streifen kann, ist seitdem eine große Freude. Denn zusammen mit Pia, Poppy, Olivia und Alfie komme ich seither – obwohl ich dachte, dass ich bereits jeden noch so kleinen Winkel der City by the Bay kenne – an lauter neue wie überraschende Orte.

So habe ich 2019 im Rahmen meiner Recherche zu Pia und Poppy und das Rätsel um den Seelöwen das weltgrößte Krankenhaus für Säugetiere auf der anderen Seite der Bucht in den Marine Headlands kennenlernen dürfen:

Ebenso wie die Floating Boat Community in Sausalito:

Und für Pia und Poppy und der verschwundene Professor ging es im Jahr davor auf Recherche rund um das Thema „digitale Haushelfer“:

Im Jahr 2018 fragte mich der Berliner Esspress an, ob ich nicht ein paar Restaurants aus meiner Lieblingsstadt besprechen wolle. Das tat ich natürlich super gerne, denn San Francisco ist – wie Berlin – ein kulinarisches Paradies.